Individualismus - ein Mythos der Gesellschaft oder die Kunst zu sich selber zu stehen?
- nicki-dark-shadows
- 29. Jan.
- 12 Min. Lesezeit
Ach kommt schon, ich kann ja wohl nicht wirklich die einzige sein, die sich diese Frage stellt. Ich meine "Hallo?" wir Leben im 21. Jahrhundert, und müssen sogar schon aufpassen, dass wir alles Gendern, und dann werden Kinder immer noch in Wettbewerbskategorien unterteilt? Ich will ja auch wirklich gar nicht alles schlecht reden. Es gibt genug altersverzögerte Sachen, die sich durchaus mit Hilfe von Protokollen und Dokumentationen feststellen lassen, und die man schleunigst in den Griff bekommen sollte, aber wer ein Kind mit seiner Mutter gerade mal eine Minute lang kennt, muss doch nicht auf dem Spielplatz urteilen, und einen Wettstreit verursachen. Oder etwa doch? Was ich damit genau meine, ist die Tatsache, dass ich wohl alle Sprüche kenne, und das sogar von Frauen, die gar keine Kinder haben, aber natürlich alles viel besser wissen. Somit geschah es also, dass mein Sohn auf die Idee kam, lieber mit 8 Monaten sich das erste Mal hinzustellen, mit circa 10 Monaten schon laufen konnte, (was sagen die alle immer über das Krabbeln? sowas gab es irgendwie nicht) und danach festgestellt hat, dass man auch rückwärts laufen kann. Irgendwie hatte er wohl bei seinem Einstellungsgespräch versäumt gehabt, den Teil zu lesen, wo stand, dass man in dem Alter mit dem reden anfangen muss. Wobei ich schon inzwischen stark vermute, dass er noch gar nicht lesen konnte und einfach nicht verstand, dass das nun mal so sein muss. Nachdem er dann mit 11 Monaten jeden Tag nach dem Einkaufen oder Spaziergang vor dem Fahrradladen am Schaufenster stand, und ein rotes Laufrad angehimmelt hat, haben wir es ihm dann gekauft. Seine leuchtenden Augen waren es wirklich wert gewesen, und das einzige Problem bestand nur noch darin, dass ich plötzlich sehr schnell hinter ihm herrennen musste, weshalb wir es nur zu Spaziergängen auf weniger befahrenen Straßen verwendet haben. Aber hey, als er dann vorwärts, rückwärts, seitwärts und im Kreis laufen, sowie Laufrad fahren konnte, entschied er sich dann doch mal mit 18 Monaten dafür, dass man mich Mama nennen könnte. Aber glaubt jetzt gar nicht, dass er seinen Job jetzt richtig gemacht hätte, ne ganz im Gegenteil, reicht doch, wenn man mich ansprechen kann. Er muss dann so ungefähr 20 Monate alt gewesen sein, als er mal eben noch Papa aussprach, aber jetzt sollte es für ihn genug sein. Bei schönem Wetter war ich jeden Tag mit ihm auf dem Spielplatz, um ihn zu beschäftigen. Inzwischen bin ich mir allerdings ziemlich sicher, dass er sich dasselbe auch über mich dachte. Im Sand mit Spielzeug zu spielen, war so uninteressant wie ein Krümel Brot, denn es gab ja schließlich Rutschen und Klettergerüste, und je nach Spielplatz auch noch Schaukeln. Da habe ich dann festgestellt, das Atmen definitiv überbewertet wird, und das ich keinen 360 Grad Blick habe. So schnell wie er von dem einen zum anderen ist, und seinen Spaß dabei hatte, hatte ich definitiv ein kostenloses Fitnessstudio gehabt. (Oder aber er hatte den Plan mich müde zu bekommen, und der hat besser funktioniert, als meiner ihn müde zu kriegen.) Auf jeden Fall, kam ich einmal mit einer Mutter ins Gespräch. Das heißt, eigentlich sah sie auf meinen Sohn, starrte mich an und fragte: "Wie alt ist er?"
"22 Monate", hatte ich damals wirklich noch eben schnell nachrechnen müssen.
"Redet er nicht?" war die Frage, die ich wohl am häufigsten gehört habe.
"Ähm nope, er kann Mama und Papa sagen, aber für alles andere scheint er zu faul zu sein." "Meine Tochter hat schon mit 10 Monaten angefangen und sie ist jetzt erst 18 Monate alt, und spricht fast schon ganze Sätze."
"Wow, das ist super, das freut mich für euch", hatte ich noch anstandshalber gesagt.
"Ja, ich rede ja auch jeden Tag mit meinem Kind, von Geburt an", sagte sie vorwurfsvoll und hochnäsig. Mein Kopf war ernsthaft gewollt zu sagen: "Ach wirklich? Ich schweige und sage zu Hause keinen Mucks. Bücher muss er schon selber lesen." Entschied mich aber dann Gott sei Dank dagegen, und habe mal schnell den Spielplatz gewechselt. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir zusätzlich eine Frühförderung für meinen Sohn erhalten, und eine Familienhilfe (fragt mich nicht, aber irgendwie hat einer aus einer geschlossenen Tür, eine abgeschlossene gemacht), und auch dass ich meinen Sohn hin und wieder mal zu einer Kinderspielinsel brachte, damit ich in Ruhe den Haushalt machen konnte, wusste allerdings nicht, dass die alle ein Medizinstudium gehabt hatten. Von Aussagen wie "der muss was am Mund haben", bis hin zu "der ist taub", war wirklich alles dabei. Und dann immer diese Frage, ob ich denn auch mit ihm bei allen U-Untersuchungen beim Kinderarzt gewesen bin, und dass er mal einen Hörtest machen soll. Ja, den habe ich wirklich irgendwann mal dann doch machen lassen, mit dem Ergebnis, mein Kind hört eigentlich zu gut für sein Alter, aber das konnten meine Professoren natürlich trotzdem nicht glauben.
"Na ja, wenn er was am Mund hätte, hätte der Kinderarzt das ja schon längst gesehen, aber dann muss er was mit den Ohren. Er hört schlecht oder ist taub und kann deshalb keine Worte aussprechen, weil er sie nicht hören kann."
"Wow, dann muss mein Kind aber wirklich gut Gedanken lesen können. Denn wenn er mit dem Rücken zu mir steht, und ich sage, dass ich Durst habe, flitzt mein Sohn in die Küche und holt mir eine Flasche Wasser."
"Dann muss das an einer Handbewegung liegen."
"Okay, ich habe mich auf die Hände gesetzt, die Augen geschlossen, und leise gesagt, ich habe Durst, kannst du mir was zu trinken holen. Und er hat erst in meine Kaffeetasse geguckt und mir dann eine Flasche Wasser geholt. Und wenn er im Flur ist, und mich nicht sehen kann, und ich rufe ihn, oder noch besser, ich rufe: Lloyd kannst du mir mal bitte eben das schwarze Ladekabel aus dem Schlafzimmer holen? und er konnte mich wirklich nicht sehen, und ich bekomme das richtige Kabel, dann muss der doch verdammt gut Gedanken lesen können." Ich glaube die haben mich alle für verrückt erklärt, und nur der Kinderarzt, der es ja wirklich wissen sollte, stellte mir nach dem hundertsten Mal, dass ich mit meinem Sohn da war, weil er ja immer noch nicht reden konnte, eine Frage: "Haben Sie den Eindruck das er schlecht hören kann? Müssen Sie mehrmals laut schreien, oder reagiert er auch, wenn sie ihm was zuflüstern?" Dann erzählte ich ihm, dass er sofort immer verstand was ich von ihm wollte, und sogar meine blauen Schuhe, von meinen roten auseinander halten konnte. Egal was ich von ihm wollte, er wusste immer sofort was, und rannte los, um es mir zu holen. Selbst wenn wir Besuch hatten, und er bekam mit, dass ich in der Küche Getränke in Gläser goss, war er da, und half mir, indem er jedem sein Glas brachte. Und ich sagte ihm immer, für wen jedes einzelne Glas war, und er brachte es immer richtig. (Also wenn ich angeblich mit vollen Händen, während einer Gläserübergabe, die ganz vorsichtig stattgefunden hat, wirklich noch zeitgleich Handbewegungen machen konnte, oder auf Personen zeigen, die sich auf der anderen Seite einer Wand befanden, kann ich euch leider nicht sagen, wie ich das gemacht habe, denn niemand konnte mir erklären wie ein zwei-jähriges schwerhöriges Kind ein geflüstertes Connor von Thomas auseinander halten sollte.) Aber diese Diagnosen von den ganzen Leuten die alle urplötzlich ihr Medizinstudium abgeschlossen hatten, waren alle viel Wahrscheinlicher, (selbst als sogar der Kinderarzt mir half und in den Anmeldebogen für den Kindergarten "Late-Talker" eintrug, denn davon haben die Erzieher in 40 Jahren Beruf noch nie was gehört, und gibt es somit auch nicht), als wenn ich abends sage: "Mein Kind hat Halsschmerzen, ich gehe morgen mal mit ihm zum Kinderarzt."
"Hä, wieso? Woher weißt du das?"
"Ja gesagt hat er es mir nicht, nenne es Intuition. Er hat Halsschmerzen."
"Kann gar nicht sein, du machst dir nen Kopf für nichts. Der isst, trinkt und quängelt doch. Und ich habe gerade versucht ihm in den Mund zu gucken, da ist nichts."
"Leute, mein Kind hat Halsschmerzen, glaubt mir doch einfach."
"Bitte, dann mach dich morgen halt lächerlich beim Kinderarzt, weil du wegen gar nichts dahin gehst." Tja, was soll ich sagen, ich war beim Kinderarzt, wegen den eingebildeten imaginären Halsschmerzen, und der sah mich erstaunt an und betonte: "Sie hatten Recht, Lloyd hat eine Mandelentzündung und dass das weh tut, kann man sich ja denken. Aber das haben Sie verdammt gut und schnell erkannt. Die Kinder die sonst in dem Alter noch nicht reden, kommen immer erst, wenn sie gar nichts mehr essen, trinken und nur noch weinen." An diesem Tag bin ich stolz wie sonst was nach Hause gegangen, (das mein Kind krank war, fand ich natürlich trotzdem Herzzereißend), habe allen die Zunge rausgestreckt und zum ersten Mal klar gestellt: "Wenn ich sage, mein Kind hat Halsschmerzen, dann weiß ich das einfach, und wenn ich sage, mein Kind ist nicht taub oder schwerhörig, dann glaubt es mir doch einfach. Gibt ihm Zeit, der wird noch reden, noch ist er erst 2 1/2 Jahre alt." (Na ja, das nicht sprechen, hatte eine positive Sache dann ja doch gehabt. Das Jobcenter wollte unbedingt dass ich wieder arbeiten gehe, wenn mein Kind 3 Jahre alt wird, und die Kindergärten waren der Meinung, wenn die nicht arbeiten geht, braucht die den Platz nicht so dringend. Somit hatte ich ein kleines Problem, denn das Jobcenter hatte mir sogar vorgeschlagen, dass ich ja auch einen Babysitter bezahlen könnte, wenn ich arbeiten gehe, doch seine Frühförderung nannte mir die KiTa die noch Förderplätze frei hatte, wo er ja eindeutig hin gehört.) Tatsächlich bekamen wir eine Zusage, wenn der Förderbedarf über den Amtsarzt festgestellt wird. Als wir da waren, glaube ich haben Lloyd und ich dasselbe gedacht, als Lloyd mit einer Parkgarage spielte, ihr das stolz zeigen wollte, was die alles kann, und die Ärztin ihn gar nicht machen ließ, sondern mit einer zuckersüßen (definitiv geschauspielerten) Stimmlage, das Parkhaus mit Worten erklärte, als ob er das noch gar nicht selber rausbekommen hätte. Ich weiß noch, wie er mich verwirrt anstarrte, (wobei er wohl an der Intelligenz der Ärztin gezweifelt hat) sich plötzlich umdrehte, eine Heizung anpackte und mich überraschte, als er zum ersten Mal "heiß" sagte. (Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich sein Wortschatz schon erweitert, jetzt konnte er wenigstens Mama, Papa, auf, nein und ein gehauchtes ja sagen.) Im übrigen hatte ich danach der Ärztin nur noch soweit zugehört, dass er den Förderplatz bekommen sollte, und dass er mit 3 Jahren keine Frühförderung mehr bekommt, sondern eine Sprachtherapie benötigt. Es kam dann auch eine Frau zu uns nach Hause, die dann feststellte, dass sie das falsche Material eingepackt hatte, denn mit 5 Wörtern, konnte man damit niemanden testen. Also haben wir ein wenig gespielt, damit sie erkennt ob er überhaupt Wörter verstehen kann, und sie hat Anweisungen mit einem Ball gegeben, was mein Sohn so toll fand, dass der Ball ja rollen kann, und Fußball in der Wohnung war bisher immer verboten gewesen, weshalb ihr zuhören definitiv überbewertet wurde, und sich seiner Kenntnis entzog. Bevor sie ging, sagte sie noch, dass er eine heilpädagogische Sprachtherapie benötigen würde. Zwar war sie nicht begeistert davon als ich ihr sagte: "Eins nach dem anderen. Erst wird Lloyd in drei Wochen in die KiTa eingegliedert, und dann warte ich bis er da angekommen ist, und dann können wir uns einen Monat später nochmal unterhalten. Verdammt noch mal mein Kind ist 3 Jahre alt, und rennt mehr von Termin zu Termin, als eine Mutter mit 18 Bälgern." Fand sie offensichtlich nicht so toll, war mir aber egal. Zwei Tage bevor er drei Jahre alt wurde, fiel mir dann auf, dass ich der KiTa gesagt hatte, an seinem dritten Geburtstag ist er trocken, was die für unmöglich gehalten hatten. Okay, jetzt hatte ich ein halbes Jahr versäumt, ohne ihn auch nur ein einziges Mal in seinem Leben auf ein Töpfchen (fand ich mit Hund sowieso irgendwie etwas eklig) oder die Toilette gesetzt zu haben. Also sagte ich: "Lloyd, ich habe gesagt du bist an deinem dritten Geburtstag trocken. In weniger als 48 Stunden wirst du drei. Zieh die Windel aus, und geh ab jetzt auf Toilette." Gut, ganz so einfach war es dann doch nicht, weil er mich anstarrte als wollte er sagen: "Bist du bescheuert oder was?" Aber ich machte Nägel mit Köpfen, zog ihm die Windel aus, die Unterhose wieder an, und versuchte ihn einige Male auf die Toilette zu bekommen. Wollte er nicht, fand er doof, hat sich viermal in die Hose gepullert, bis ich ihm zur Nacht die Windel wieder anzog, und am nächsten Morgen wieder aus. Von da an hat er mich plötzlich an die Hand genommen, hat mich zum Badezimmer gezogen, und mir signalisierte, er muss auf die Toilette. Wenn mal was daneben ging, dann nur, weil er nicht schnell genug war, und "groß" hat er nie in die Unterhose gemacht. Als ich der KiTa am ersten Tag sagte, Lloyd wäre tagsüber trocken und braucht keine Windel mehr, haben die mich für bekloppt gehalten, bis sie es noch am selben Tag erlebten. (Als ich dann später mal von Freunden gefragt wurde, wie ich mein Kind trocken bekommen habe, und denen sagte, ich kann denen keinen Tipp geben, weil ich das einfach so entschieden habe bei meinem, und es ohne großes Training funktioniert hat, haben mich manche mit Bewunderung und wieder andere mit Skepsis angesehen.) Die geplante drei wöchige KiTa Eingliederung, war dann auch nach vier Tagen abgeschlossen, weil die Erzieher feststellten, dass mein Sohn nicht so viel Zeit braucht, und einfach ein unglaubliches Vertrauen darüber hatte, dass Mama einfach gleich wieder kommt. (Was ich ihnen im übrigen auch im Vorfeld gesagt habe, aber ich bin ja keine Erzieherin sondern nur die dumme Mutter.) Und dann, drei Wochen später, begann mein Sohn zu reden, und zwar direkt mit drei-Wort-Sätzen. Die Testung fand dann tatsächlich nochmal mit dieser Frau statt, die auch bei uns in der Wohnung gewesen war, nur dieses Mal in der KiTa, damit mir nach nur 3 Monaten Kindergarten gesagt wurde, eine Sprachförderung würde vollkommen ausreichen. Da ich allerdings gerade eine Kurzzeitstelle gefunden hatte, die ich perfekt mit Kind kombinieren konnte, schob ich das erst noch eine Weile vor mir her. Zuerst hatte ich Weihnachten als Ausrede, dann Karneval, und dann sogar behauptet, ich hätte schon telefoniert und würde in den nächsten Tagen zurück angerufen, was mir zumindest wieder zwei Wochen Ruhe verschaffte, bevor die KiTa erneut Fragen stellte. Während die mir immer wieder sagten, dass er das niemals aufholen würde, und immer in seiner Sprache um zwei Jahre zurückentwickelt bleiben würde, schaffte ich es irgendwie die immer hin zu halten, weil ich dieses nicht vor seinem vierten Geburtstag überhaupt in Erwägung ziehen wollte. Fanden die nicht gut, und redeten mir ins Gewissen, wobei ich jedes Mal zustimmte, bis wir die KiTa verließen und mir dachte: "Wartet ab, er ist erst 3 1/2 Jahre alt." Nun ja, was soll ich sagen, nach 11 Monaten Kindergarten und noch vor seinem vierten Geburtstag fand ein Entwicklungsbericht Gespräch in der KiTa statt, wo ich dann einen Termin hatte, damit mir dann gesagt wurde: "Also bei der Sprache haben wir angegeben, dass Lloyd über einen überdurchschnittlichen Wortschatz und Sprachgebrauch verfügt. Ich meine, ich weiß nicht mehr den Zusammenhang, aber er hat letztens mit mir gesprochen und plötzlich eventuell vielleicht gesagt. Ich habe noch nie einen vier-jährigen gehabt, der diese Wörter überhaupt kennt, geschweige denn auch im richtigen Zusammenhang benutzt."
"Moment mal, erst wollen Sie mir sagen, mein Kind ist zu blöd und benötigte eine heilpädagogische Sprachtherapie, und ein Jahr später ist er plötzlich zu schlau für sein Alter? Ich habe es doch von Anfang an gesagt, alles was Sie über Kindererziehung und Kinderentwicklung wissen, können Sie bei meinem absolut vergessen, und mal komplett von vorne anfangen. Aber was weiß ich schon, ich bin ja nur die Mutter."
(Bis zu seinem fünften Geburtstag hatte ich von da an, den Respekt der Erzieher, die erst fragten, bevor sie Diagnosen in den Raum warfen, bis ich selber beim Kinderarzt einen Termin wegen Verdacht auf ADHS machte. Ich wusste von Anfang an, dass er nicht irgendeiner Tabelle entsprach, aber er sollte einfach noch Kind sein, bis die Einschulungstestung sagte, er kann in die Schule gehen, seine Konzentration aber immer weiter in den Keller sank. Die KiTa hatte selber vom ersten Tag an ADHS in den Raum geworfen, aber kaum, dass ich die Testung Jahre später in die Wege leitete, bekam ich plötzlich zu hören: "Nein, das ist kein ADHS das ist was anderes." Aber was, wusste keiner. Mich überraschte am Ende die bestätigte Diagnose durch zugelassene Ärzte mit mehren Tests, darunter auch neurologisch und psychologisch nicht mehr, und damit wir auch da mal eben unter alle Register fallen, heißt es tatsächlich, meiner hat ein atypisches ADHS, weil er zu freundlich ist, und weder mich, noch irgendeinen anderen verprügelt hatte.)
Im übrigen wehre ich mich noch immer dagegen direkt ne Welle zu machen, weil Lloyd manchmal etwas länger braucht, um was zu lernen. Zuhause habe ich ihn ermutigt, sich irgendwann mal beim Frühstück am Wochenende sein Brot selber zu schmieren, solange wir beide alleine waren, und alles in Ruhe machbar war. Wenn er sich bemühte, es aber nicht ging, durfte er mich freundlich fragen, und ich habe es für ihn übernommen. Ohne Wertung und mit dem Lob es überhaupt versucht zu haben. Nachdem wir dann allerdings Seniorenbesteck mit dickerem Griff geholt hatten, fiel es ihm viel leichter, und er brauchte keine Hilfe mehr. Na ja, und die Schulnachrichten aus der Grundschule, dass er keine Schleife binden konnte, ignorierte ich lächelnd und sagte: "Konnte ich auch nicht, und dann urplötzlich ab der fünften Klasse schon. Und außerdem, Jungenschuhe in seiner Größe, haben heutzutage keine Schnürsenkel mehr" Und ihr glaubt gar nicht, wie Recht ich auch damit wieder hatte, denn tatsächlich schnürte er sich einfach so, seine Schnürsenkel der Winterschuhe in der fünften Klasse selber. Ja, wir haben davor hin und wieder mal trainiert, damit er zumindest ungefähr weiß wie es geht, aber nur wenn er es wollte, ohne Zwang, mit den Worten: "Nicht schlimm, wenn es noch nicht klappt. Das kommt schon. Lass dich nicht stressen. Ich konnte das auch lange Zeit nicht, und jetzt mache ich es blind."
Aber leider ist das bei allem so, und ich bekomme die Schule einfach nicht davon überzeugt, dass nicht Mathe das Problem ist, sondern dass er vor der Aufgabe sitzt, und einfach nicht seine Finger benutzen darf. Leute, dass mache ich bis heute noch so, und wenn man über die zehn hinaus kommt, stellt man sich die Zehnerzahl bildlich vor, und weiß, dass der erste Finger dann, die 11 ist. Aber nein, dass darf man nicht so machen, weil die Erzieherin ihren Beruf so gewählt hat, weil ihr Lieblingsfach Chemie war, oder das Lieblingsfach des Chemikers, war definitiv Politik. Also chillt, genauso wie das Quatsch ist, wird mein Sohn halt niemals ein Mathematiker oder gar ein Ingenieur. Aber das ist nur meine Meinung, und ja ich weiß, dass der Standard, dass ist, was die Gesellschaft vorgibt, und da muss man halt durch. Aber wir machen es auf unsere Weise, und können trotzdem so standardgemäßig wie möglich leben, ohne uns dabei selber zu belügen.
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